Die Olduvai-Schlucht (in der Landessprache eigentlich: Oldupai) liegt im Norden von Tansania und gilt als eine der „Wiegen der Menschheit“.
Als Teil des Ostafrikanischen Grabenbruchs (auch Great Rift Valley genannt) liegt sie in den östlichen Ebenen der Serengeti und dient den umliegenden Hängen des Grabenbruchs als Entwässerungssystem. Die Olduvai-Schlucht hat eine Länge von knapp 50 Kilometern und ist bis zu 100 Meter tief.
Die Olduvai-Schlucht ist eine der wichtigsten prähistorischen Stätten der Welt und maßgeblich für das Verständnis der frühen Evolution des Menschen. Der Fundort erbrachte Erkenntnisse über Homo habilis, der dort vor etwa 1,9 Millionen Jahren lebte, über Australopithecus boisei vor 1,8 Millionen Jahren und über Homo erectus vor 1,2 Millionen Jahren. Überrestes von Homo sapiens aus der Olduvai-Schlucht konnten auf ein Alter von 17.000 Jahren datiert werden.
Die Olduvai-Schlucht wurde im Jahre 1911 von dem deutschen Entomologen Wilhelm Kattwinkel entdeckt. Er fand zahlreiche Fossilien eines ausgestorbenen dreizehigen Pferdes, welche Hans Reck im Jahr 1913 veranlassten, die Olduvai-Schlucht erneut zu erkunden. Professor Reck war das Glück hold, denn er fand das Skelett eines Hominiden, doch leider mußte er mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges seine Forschungen in der Olduvai-Schlucht einstellen.
Im Jahre 1931, als Louis Leakey in Berlin die Möglichkeit hatte Fossilien aus Olduvai zu untersuchen, reifte in ihm der Gedanke, dass der Fundort noch viel mehr Informationen über die Herkunft des Menschen bergen könnte und dass Ausgrabungen sich lohnen würden. Louis und Mary Leakey waren jene Archäologen, die die meisten Hominiden-Fossilien in der Olduvai Schlucht fanden. Ihre Entdeckungen und die früheren Arbeiten von Raymond Dart und Robert Broom in Südafrika, überzeugten allmählich alle Wissenschaftler, dass der Mensch urspünglich aus Afrika stammt.
Im Jahr 1956 fand Mary Leakey an der Fundstelle FLK (Frida-Leakey-Korongo Site, nach Louis Leakeys erster Frau) den Schädel OH 5, den man zu den robusten Australopithecinen zählt und der das Typusexemplar der Spezies Australopithecus boisei wurde. Das Exemplar ist etwa 1,75 Millionen Jahre alt und veränderte radikal die Vorstellungen über den zeitlichen Ablauf der menschlichen Evolution. Die Leakeys fanden in der Olduvai-Schlucht auch mehr als 2.000 Steinwerkzeuge und Abschläge, die heute der Kulturstufe des Oldowan (benannt nach der Schlucht) zugeordnet werden. Der älteste Sohn der Leakeys, Jonathan, fand im Jahr 1960 das erste Exemplar eines Homo habilis (OH7) in Form eines Unterkiefers.
In den späten 1990er und frühen 2000er Jahren führte Professor Masao Fidelis von der Open University of Tanzania und sein Team in der Olduvai Schlucht weitere Ausgrabungen durch. Diese Forscher legten den Schwerpunkt ihrer Arbeit auf Steinwerkzeuge und Tierknochen mit Anzeichen von Tierschlachtungen, um die täglichen Aktivitäten unserer Vorfahren besser zu verstehen. Masao studierte auch die Felsmalereien, die in der Region gefunden wurden.
Die Geologie der Olduvai-Schlucht und der Region wurde von Richard L. Hay im Detail untersucht, der hier zwischen 1961 und 2002 arbeitete. Seine Forschungen ergaben, dass vor Millionen von Jahren an der Stelle ein großer See lag, dessen Ufer aus Ablagerungen vulkanischer Asche bestanden. Vor rund einer halben Million Jahre wurde ein Fluss durch seismische Aktivitäten umgelenkt, dabei schnitt er sich in die vulkanischen Sedimente und legte so die sieben Hauptschichten der Olduvai-Schlucht frei.
In den 1930er Jahren, als Mary und Louis Leakey in Afrika nach den frühesten Steinwerkzeugen suchten, waren viele skeptisch, dass der Urspung des Menschen in Afrika liegt. Doch als die Leakeys in der Olduvai-Schlucht fündig wurden, wandelte sich die öffentliche Meinung zu ihren Gunsten. Die Oldowan Werkzeuge hatten scharfe Kanten und waren eindeutig durch die Hände von Hominiden geformt.
Die Leakeys erfassten die einzelnen Stellen, an denen die Werkzeuge gefunden wurden und versuchten herauszufinden, woher das Rohmaterial für die Herstellung stammt. Als dabei herauskam, dass die Fundstellen der Werkzeuge und der Ursprung des Rohmaterials etwa 14,5 Kilometer auseinander lagen, schien dies auf bereits entwickelte kognitive Fähigkeiten wie Planen und Denken hinzuweisen. Da diese Werkzeuge in der gleichen Schicht wie Australopithecus boisei gefunden wurden, entbrannte eine Diskussion, welche Spezies - Australopithecus oder Homo - in Wirklichkeit der Werkzeughersteller war.
Die erste von den Leakeys entdeckte Spezies ist Zinjanthropus boisei - später umbenannt in Australopithecus boisei (die Gattungsbezeichnung Paranthropus wird nach wie vor diskutiert) - hatte einen ausgeprägten Scheitelkamm (Crista sagittalis) und sehr mächtige Backenzähne. Diese anatomischen Attribute deuten darauf hin, dass sich die Art von harten Lebensmitteln ernährte, die starkes Kauen erforderte. Die Nahrung dürfte demzufolge aus Knollen, Nüssen und Samen bestanden haben, daher auch der Name Nußknacker-Mensch.
Umgekehrt zeigten die Funde der Leakeys aus den 1960er Jahren viele Merkmale, die nicht zu Australopithecus zu passen schienen, darunter ein fehlender sagittaler Kamm und ein viel runderer Gehirnschädel, was auf ein größeres Gehirn schließen ließ. Die krassen Unterschiede zeigten, dass diese Fossilien zu einer anderen Spezies gehört haben mussten - heute kennt man sie als Homo habilis. Dessen kognitive Fähigkeiten und die kleineren Zähne identifizierten schließlich Homo als den Werkzeugmacher aus der Olduvai-Schlucht.
Obwohl die Olduvai-Schlucht stichhaltige Beweise für die Jagd und die Nutzung von Aas lieferte, nehmen Paläoanthropologen an, dass die Hominiden, die das Gebiet vor 1,9 bis 1,7 Millionen Jahren bevölkerten, den Großteil ihrer Zeit mit dem Sammeln wilder Pflanzen wie Beeren, Knollen und Wurzeln verbrachten. Obwohl es archäologische Hinweise darauf gibt, dass auch Fleisch auf dem Speisezettel stand, dürfte der Hauptteil der Ernährung jedoch nicht aus Fleisch bestanden haben. Diese Spekulationen über den Fleischanteil in der Nahrung stammen aus vergleichenden Studien über einen nahen Verwandten des Menschen: dem Schimpansen. Die Nahrung der Menschenaffen besteht nur zu etwa 5% aus Fleisch. Auch heutige Jäger und Sammler pflegen eine Ernährung, die nicht durch große Fleischmengen charakterisiert ist. Die Mehrzahl der benötigten Kalorien sind pflanzlichen Ursprungs.
In der Nähe der Olduvai-Schlucht liegt Laetoli, wo Mary Leakey 1979 die noch gut erhaltenen Fußspuren eines Australopithecus (3,5 Millionen Jahre alt) entdeckt hat.
Literatur
- McHenry L. J., Mollel G. F. and Swisher III, C. C. 2008. Compositional and textural correlations between Olduvai Gorge Bed I tephra and volcanic sources in the Ngorongoro Volcanic Highlands, Tanzania. Quaternary International 178(1), pp. 306–319. DOI: 10.1016/j.quaint.2007.01.004
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